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SBO Tomburg Winds in Quesnoy – 100 Jahre Ende des 1. Weltkrieges


Rheinbach, 24. November 2018 – 40 musikalische Stunden als Beitrag zur Deutsch-Französische Freundschaft 

Nur 40 Stunden lagen zwischen Ankunft und Abfahrt des Reisebusses – 40 intensive Stunden zwischen Freitagabend und Sonntagmittag, prall gefüllt mit Musik, Erinnerungsarbeit und deutsch-französischen Begegnungen der besonderen Art: Die Verständigung in einem herrlichen Mischmasch der Sprachen funktionierte gut, wobei neben Deutsch und Französisch viel Englisch sowie viele Hände und Füße zum Einsatz kamen – und natürlich Musik.

Augenzwinkernd stimmte sich das Orchester im Bus mit der Komödie Bienvenue chez les Ch’tis auf den zu erwartenden „Kulturschock“ ein. In Quesnoy angekommen war aber außer Herzlichkeit wenig an Klischees zu bemerken. Zusammen mit dem Partnerschaftsverein Swisttal-Quesnoy stand noch am Freitagabend das erste Kennenlernprogramm an – und der erste Umtrunk. Aufgewärmt und aufgelockert ging es dann in die Gastfamilien oder bei einigen noch mit Umweg über den Pub.

Der Samstagvormittag bot zum Einen die Gelegenheit, sich über das spielerische Programm des Partnerschaftsvereins näher kennenzulernen und sich an der Sprache des anderen auszuprobieren. Zum Anderen erkundeten einige Kleingruppen mit ihren Gastfamilien die nahe gelegene Stadt Lille oder ließen sich die traurig-beeindruckende Geschichte Quesnoys während des ersten Weltkrieges näher bringen.

Die Kinder der Musikschule Quesnoy singen uns vor (Foto: Wolf-Umhauer)

In der großen Gruppe kam dann zum ersten Mal die Musik ins Spiel, unterstützt durch den Kinderchor aus Quesnoy. Französische Chansons erinnerten an den Schrecken und die Leiden der Soldaten des ersten Weltkrieges. Dem musikalisch-traurigen Blick zurück auf den allgegenwärtigen Tod an der Front und auf das Schicksal der gueule cassée (zu Deutsch „zerschlagene Fressen“), wie die Kriegsversehrten französischen Soldaten bis heute genannt werden, folgte der hoffnungsvolle und emotionale Ausblick nach vorne mit der auf Deutsch gesungenen Europahyme.

Der Nachmittag diente der Vorbereitung auf unser Konzert, vor allem den gemeinsamen Proben zusammen mit dem örtlichen Orchester Philharmonie Quesnoy sur Deûle.

Standing Ovations nach dem gemeinsamen Konzert der Tomburg Winds und der Philharmonie Quesnoy sur Deûle.

Um kurz nach 17:00 Uhr begann dann der Höhepunkt des Wochenendes: Das Konzert. Die Tomburg Winds spielten sich in der ersten Hälfte schnell in die Herzen der Zuschauer und wurden mit stehenden Ovationen gefeiert. Nachdem Philharmonie und Musikschulorchester die zweite Hälfte musikalisch begonnen hatten, gab es dann für Musiker und Zuhörer Gänsehautmomente bei den gemeinsamen Stücken der beiden Ensembles. Vor allem Yellow Mountains, im Vergleich zum zweiten gemeinsamen Stück technisch wenig anspruchsvoll aber umso ausdrucksstärker, brachte die Zuschauer mit seinem warmen Klang zum Schwärmen. Den Musikern hatte Dirigent Adi Becker vorher mitgegeben comme un vol zu spielen – als ob wir fliegen würden.

Mit der von den Zuschauern gesungenen Europahymne ging das Konzert zu Ende und die Feierlichkeiten begannen. Bei einem großen Gala-Essen wurde auf Konzert und Begegnungsanlass angestoßen, die Reden und der eigentlichem Festakt noch aufgelockert durch gemeinsames Improvisieren von Musikern beider Orchester.

Gemeinsames Gedenken auf dem deutschen Soldatenfriedhof. (Foto G. Saxler-Schmidt)

Sonntagmorgens stand dann mit der Parade zum Jahrestag des Kriegsendes der förmlichere aber nicht minder emotionale Teil der Reise auf dem Programm. Nachdem um kurz nach 11:00 Uhr das Glockengeläut zum Gedenken an das Kriegsende vor 100 Jahren verklungen war, führten Philharmonie Quesnoy sur Deûle und Tomburg Winds als gemeinsam spielende Marching Band die Prozession zu den verschiedenen Stationen an. Zum ersten Mal war ein Halt auf dem deutschen Soldatenfriedhof von Quesnoy Bestandteil der Parade. Neben Kranzniederlegung und einer deutsch-französischen Laudatio war es auch hier der musikalische Teil, der die gekommenen Menschen besonders bewegte. Die Orchester spielten die Nationalhymne des anderen Landes, zum Abschluss die Europahymne gemeinsam. Vielen Besuchern war es hinterher ein Anliegen, den Musikern für die Atmosphäre auf dem Soldatenfriedhof zu danken und fassten ihre Eindrücke ähnlich zusammen: chair de poule – Gänsehaut.

Ehrenmal für die Opfer beider Weltkriege in Quesnoy.

Am französischen Ehrendenkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege fand dann der Hauptteil der Gedenkfeier statt, den die beiden Orchester mit einer Darbietung von Highland Cathedral und der Europahyme abschlossen. Als besondere Ehre für die deutschen Gäste schloss die Prozession vor dem Rathaus von Quesnoy mit der gemeinsamen Intonierung des Deutschlandliedes, abgerundet durch den Refrain der Marseillaise.

Zum Abschluss des Aufenthalts gab es nach dem gemeinsamen Foto der Ensemble dann ein Aperitif im Rathaus und ein emotionales Au revoir. Tatsächlich flossen beim Abschied einzelne Tränen. Adi Becker hatte als letzte Ansage während des Konzerts am Samstagabend Worte gefunden, die den Moment gut zusammenfassen:

„Das Zusammenkommen über die Musik als universelle Sprache überwindet nicht nur physische Grenzen, sondern auch in unseren Köpfen und Herzen. Dafür brauch es dann eben nicht einmal ein ganzes Wochenende.“

In dem Sinne: Vive l’amitié Franco-Allemand – es lebe die deutsch-französische Freundschaft

Simon Lauktien